Erkennen Sie die Melodie?
Ja -- aber von wem ist sie?
Emil Nikolaus von Reznicek
(1860 - 1945)
Österreichischer Komponist, heißt es in den spärlichen Angaben der Lexika. Ein Altösterreicher war er, wie er nur im Buche stehen kann. Der Vater ein böhmischer - nein, nicht Gefreiter, sondern Feldmarschall, die Mutter Tochter eines rumänischen Fürsten.
In Graz zur Welt gekommen, machte Reznicek in Deutschland Karriere, als Kapellmeister und Lehrer. Berlin wurde zu seiner Heimatstadt. Als Komponist war ihm zwar gelungen, was man den Durchbruch nennt.
Seine musikalische Komödie Donna Diana darf, musikhistorisch betrachtet, als Meilenstein einer deutschen Opera buffa nach Wagner gelten, nach Cornelius' Barbier von Bagdad und vor Wolfs Corregidor entstanden.
Aber im heutigen Musiktheaterleben ist sie schon deshalb unmöglich, weil alles, was das Wort »deutsch« im Untertitel führt und nicht mindestens von Wagner oder Richard Strauss stammt, als suspekt gilt.
Doch Reznicek blieb dauerhafter Erfolg schon zu Lebzeiten versagt. In Opernhäusern und Konzertsälen musste er so viele Rückschläge verzeichnen wie im Privatleben, das von Tod und Mißgeschicken überschattet war.
Für die Rezensenten der Zwischenkriegszeit diente seine Musik als willkommenes Schlachtfeld, den einen galt er als rettungsoser Reaktionär, die anderen betrachteten seine harmonischen Freizügigkeiten als Camouflage. Selbst wohlwollende Kritiker beschieden ihm, vergleisweise einfache Texturen künstlich zu »verkomplizieren. 1931 hieß es nach der Münchner Erstaufführung der Tanzsymphonie:
Daß der siebzigjährige Reznicek noch getrost die Problem-Musiker in die Schranke fordern kann, bewies seine temperamentvolle, hierzum erstenmal gehörte »Tanzsymphonie«. Ob mit dem Überbauen und Verschieben der Themen der gute Reznicek als ein ernsthafter Neuerer sich vorstellte, oder nur so tat, als ob er auch neuzeitlich schreiben könnte, war nicht erweisbar; jedenalls wurde das Werk damit unnötiger Weise »ver«-kompliziert. Mit einem aufgebauschten Orchesterapparat und einer spitzfindigen Instrumentiertechnik auf ein an sich sehr harmloses musikalisches Edelwild zu schießen, ist unnötig. Auch schmeckt das Pulver, das da in manchen Sätzen verschossen wird, zu parfümiert.
Für den Nachruhm, der angesichts einiger exzellenter Partituren groß angelegter Orchesterwerke (eines davon, "Der Sieger", deutlich parodistisch auf Richard Strauss' Heldenleben gemünzt) und fein gearbeiteter Kammermusik immerhin denkbar gewesen wäre, war nach 1945 die öffentliche Anerkennung hinderlich, die man Reznicek in Deutschland seit 1933 plötzlich zuteil werden ließ. Da muß man froh sein, wenn einem Meister das Recht auf einen Straßennamen nicht aberkannt wird.
Groteskes Begräbnis
Daß er starb, kurz nachdem das Dritte Reich zusammengebrochen war, sorgte für die letzte, bittere Groteske. Beerdigt wurde Reznicek auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf. Die Einsegnungskapelle lag im Westsektor Berlins, das Grab im Osten. Aus Angst, von russischen Soldaten beraubt zu werden, setzten die Träger den Sarg an der Grenzlinie ab, entledigten sich aller Wertsachen und trugen, nur das Nötigste am Leib, den Toten zur letzten Ruhestätte . . .
Und die posthume Groteske:
Seinen apartesten Einfall nutzte man lang als Signation zur Sendung »Erkennen Sie die Melodie?« Die Melodie erkennt bis heute jeder. Aber kaumeiner weiß, von wem sie stammt.
Typisch Reznicek!